The Secret: BMW M 1000 RR

BMWs rennstreckenorientiertes Top-Superbike M 1000 RR hat eine Straßenzulassung. Ebendie verrät uns ein Geheimnis des Sportfahrzeugbaus.

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Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Sonnenschein! Abfahrt auf der neuen M 1000 RR. Kurz darauf: dichtes Schneegestöber. Dann wieder Sonne. Dann wieder Schnee. So ging das den ganzen Tag, am Main entlang, durch den Spessart, über den Schottenring und durchs Sauerland. Dazu kam die Pflanzzeit der Bauern mit dem Dreck, den das auf die Straßen bringt. Dieses Motorrad hat 212 PS und wiegt 195 kg, deshalb fürchtete ich, was das für die Landstraße bedeuten würde. Ich hatte mir den frühen Apriltermin geholt, in der Hoffnung, dass sich meine Risikobereitschaft auszahlt. Tat sie aber nicht: Am ersten möglichen Rennstreckentermin schneite es am Nürburgring, am zweiten regnete es. So ist das eben manchmal: Risiko bedeutet, dass nicht alles klappt wie erhofft.

Aprilwetter. Die Endurance-mäßige Bubble-Scheibe leistet erstklassige Dienste im Schneeregen.

(Bild: Clemens Gleich)

BMW hatte einmal eine Rennmaschine ohne Straßenzulassung im Angebot, die HP4 Race: eine Kleinserie von 750 Stück, Einzelpreis 2017 neu 80.000 Euro. Es war ein besonderes Motorrad für eine kleine Nische, deshalb kann es gut sein, dass Sie zum ersten Mal von dieser Maschine hören. Solche Fahrzeuge verschwinden immer in den Garagen der Sammler, herausgeholt nur zum Handel damit oder für seltene Rollouts. Die M 1000 RR dagegen richtet sich an ein anderes Publikum: "Viele Leute wollen ja auch zeigen, was sie haben", sagt BMW-Motorrad-Sprecher Gerhard Lindner. Deshalb sind Münchens Ingenieure über alle Hürden gesprungen, dieses Motorrad nach Euro 5 zuzulassen. Sie wird gekauft werden. Sie wird gefahren werden. Sie wird gesehen werden. Für BMW wahrscheinlich der bessere PR-Deal. Es gibt viel zu lieben, zu sehen. Allein diese Rastenanlage! Schöner gab es das bei BMW noch nie.

Als ich sie vom Laster holte, zweifelte ich noch daran, wie toll das auf der Landstraße sein könnte: hohe Rasten, ein brüllender Leerlauf, bei dem sie eine riesige Wolke unverbrannten Benzins ausrotzt und ein straff eingestellter Lenkungsdämpfer. Sehr Rennstrecke. Interessanterweise groovte ich mich trotz des schlechten Aprilwetters sehr schnell ein auf dem Superbike. Die Ergonomie ist toll und überdies einstellbar. Sie braucht nur einen sehr sanften Lenkimpuls, dann macht sie den Rest des Einlenk-Umleg-Vorgangs von allein, was mir sehr half, denn Lenkimpulskraft heißt ja immer auch: Alles über den Kreiselwiderstand hinaus hebelst du gerade über den vorderen Latsch. Den wollte ich im Schnee nun wirklich nicht über Gebühr belasten. Die Sitzposition ist recht hoch, die Last auf den Handgelenken gering – wie bei jedem Superbike geht es natürlich nicht ohne etwas Körperspannung aus der Rumpfmuskulatur.

Am meisten beeindruckte mich aber das Fahrwerk. Da ist nichts mit semiaktiv. Da ist nichts mit fancy Elektronik. Da sind nur Federn, kontrolliert von gebremstem Ölfluss. Trotz Temperaturen um den Gefrierpunkt saugte sich das herrlich an den Untergrund. BMW hat dieses Setup mit einer Reihe verschieden schwerer Fahrer bis Minus 5° C getestet – unwahrscheinlich also, dass es einem Kunden nicht schon ab Werk ziemlich gut passt.

BMW M 1000 RR (25 Bilder)

Früher hießen die "High-Performance"-Modelle bei BMW Motorrad "HP". "Das ist wie M bei den Autos", musste München dann oft erklären. Jetzt alles unter einem Buchstaben.
(Bild: BMW)

Sowohl davor knien und Details streicheln als auch das Fahren offenbart eines gut: Hier durfte ein Team mit Racing-Nagel im Schädel das tun, was diese Menschen lieben. Racing-begeisterte Ingenieure möchten schnelle Fahrzeuge bauen. Sie sind es gewohnt, dass es Restriktionen gibt, nicht nur aus dem Reglement, sondern vor allem aus dem Budget des Teams. Deshalb muss es uns nicht wundern, wie gut das geklappt hat, aber natürlich wunderte ich mich trotzdem, freute mich über die übertroffenen Erwartungen. Zwar hatte die Rennstrecke nicht geklappt, doch wollte ich sowieso mit einem Rennfahrer sprechen, deshalb telefonierte ich mit dem bayrischen Rennfahrer Jonas Folger, der in der Superbike-Weltmeisterschaft mit der S 1000 RR (Test) fährt und die M 1000 RR schon im Vergleich fahren konnte.

Jonas Folger konnte die M 1000 RR einen halben Tag lang testen.

(Bild: BMW)

"Mein erster Eindruck war, wie gut die Elektronik funktioniert", sagt Jonas. "Das ist ein ganzes Hauseck besser als bei der S 1000 RR. Auch die Winglets hat man gleich gespürt: Sie drücken an schnellen Kurvenausgängen auf die Front, sodass man stärker beschleunigen kann." Das ausgewogene Fahrwerk kam auch beim Racer an: "Das ist aus der Box schon fertig." Die Nissin-Bremse mit dem M darauf machte sich beim Rollout beliebt durch stabile Performance: "super". Wie mir auch gefiel Jonas der gelungene Lenkkopfwinkel der M: "Das ist jetzt mehr Racing. Da werden wahrscheinlich viele Rennmaschinen in diese Richtung gehen in der nächsten Zeit." Insgesamt lobte Jonas, wie einfach sich die M fahren lässt – einer der Kernpunkte, der schon BMWs erstem Superbike 2009 zum Verkaufserfolg verhalf.

Nun können Sie sich natürlich auf den kritischen Standpunkt stellen, dass Jonas Folger sowieso nichts Substanzielles über BMW-Motoräder sagen kann. Aber ich sehe es wie er, mehr noch: Es ist erstaunlich, wie sehr sich die Rennstreckeneinschätzung mit dem suboptimalen Straßenerlebnis deckt. Doch vielleicht sollte uns auch das nicht wundern, denn ein Öhlins-Fahrwerksexperte verriet mir einst das Geheimnis eines guten Setups: Eine optimale Rennstrecken-Einstellung funktioniert meistens auch auf der Straße richtig gut.

Tom Sykes gibt Feuer auf der M in der SBK-Meisterschaft.

(Bild: BMW)

Die BMW M 1000 RR kostet 33.000 Euro. Das Paket "M Competition" mit dem ganzen schönen Zeug und der Endurance-Kette kostet 4100 Euro.