Renault R5 E-Tech Electric: Vollwertiges E-Auto im Kleinwagenformat

Der neue R5 wird alles andere als eine Sparlösung: Routenplaner, Vorkonditionierung und V2L sind inklusive. Die Basis ist allerdings arg gestutzt.

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Renault R5 E-Tech Electric

(Bild: Renault)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Christoph M. Schwarzer
Inhaltsverzeichnis

Der Renault 5 E-Tech Electric sei "speziell für den Transport von Baguettes vom Bäcker ausgestattet". Für diesen Zweck könne, so heißt es wörtlich von Renault, rechts von der Mittelkonsole ein Korb aus Weidengeflecht angebracht werden. Das ist eine Petitesse. Der Renault 5 E-Tech Electric hat substanziell viel mehr zu bieten. Er ist einer der raren elektrischen Kleinwagen und er hat Funktionen vom Routenplaner mit Vorkonditionierung bis zum bidirektionalen Laden, die auch in höheren Segmenten keineswegs selbstverständlich sind. Renault hat aus zehn Jahren und Hunderttausenden Zoes gelernt. Das Resultat ist der R5, den wir so abkürzen, obwohl der Hersteller das nicht tut. Der Preis zum Marktstart im Herbst: Ab circa 25.000 Euro.

Die Serienversion des Renault 5 E-Tech Electric entspricht beim Design nahezu unverändert der Konzeptstudie aus dem Jahr 2021. Die Formensprache ist kantiger und dynamischer als beim Zoe, und natürlich ähnelt der R5 dem millionenfach verkauften, gleichnamigen Kleinwagen, der von 1972 an bis 1996 gebaut wurde. Ab 1990 hatte er interne Konkurrenz durch den ersten Renault Clio.

Der neue R5 ist 3,92 m lang und hat einen Radstand von 2,54 m. Die Breite beträgt 1,77 m und die Höhe 1,50 m. Das sind Proportionen, die von einigen Kleinwagen aktuell deutlich übertroffen werden. Ein Peugeot 208 ist 14 cm länger, ein Renault Zoe sogar 16. Das Kofferraumvolumen ist mit 326 Litern vergleichsweise groß. Zum Vergleich: Ein Opel Corsa Electric ist insgesamt länger, fasst aber nur 267 Liter. Die Zuglast der Anhängekupplung liegt im R5 bei bis zu 500 kg.

Der Renault 5 wird anfangs in den drei Ausstattungsvarianten Evolution, Techno und Iconic angeboten. Später kommt – ähnlich wie beim Mini John Cooper Works – die Sportversion A290 der Submarke Alpine hinzu. Außerdem, und das richtet sich direkt gegen Peugeot, plant Renault ein Sondermodell Roland Garros. Der Fliegerheld hat wie der deutsche Rote Baron Manfred von Richthofen im Ersten Weltkrieg gekämpft. Nach Roland Garros ist neben etlichen Peugeot-Versionen das Tennisturnier der French Open benannt. Serienmäßig sind 18-Zoll-Felgen mit 195er-Bereifung, ein zentrales Zehn-Zoll-Bediensystem mit Google-Integration (kompatibel mit Android Auto und Apple CarPlay), die Freisprecheinrichtung sowie LED-Scheinwerfer mit Fernlichtautomatik vorhanden. Insgesamt sind fünf Farben erhältlich.

Renault R5 E-Tech Electric Innenraum (4 Bilder)

Wie die anderen elektrischen Renaults setzt der R5 auf die Google-Integration. Der Routenplaner bietet eine automatische Vorkonditionierung, das heißt, dass die Traktionsbatterie für den Ladestopp gezielt geheizt oder gekühlt werden kann.
(Bild: Renault )

Die Kunden können zwischen zwei Traktionsbatterien mit 40 oder 52 kWh wählen. Die vorläufige Reichweite nach WLTP liegt bei 300 beziehungsweise 400 km. Das Leergewicht beträgt ungefähr 1350 kg bei 40 kWh und circa 1450 kg bei 52 kWh. Die Batteriezellen haben ausnahmslos NMC-Kathoden, eine Mischung aus Nickel, Mangan und Kobalt. In der 52-kWh-Traktionsbatterie sind vier Module mit je 46 Zellen eingebaut. Für die 40-kWh-Version sind es drei Module zu je 31 Zellen. Die Wärmepumpe ist in der neuen Plattform AmpR Small serienmäßig. Es wird auch Abwärme genutzt, um Energie zu sparen.

Der Synchronmotor im Renault 5 benutzt keine seltenen Erden wie Neodym. In Verbindung mit der 52-kWh-Traktionsbatterie leistet er 110 kW (245 Nm Drehmoment), in der 40-kWh-Version sind es 90 oder 70 kW (225 bzw. 215 Nm). Der Antriebsstrang inklusive Ladegerät wiegt dank verbesserter Systemintegration nur 105 kg. Zur Markteinführung steht zuerst die 110-kW-Version in den Ausstattungslinien Techno und Iconic zur Verfügung. Die anderen folgen.

Anders als in einigen bisherigen E-Autos von Renault ist im R5 schon bei 11 kW AC-Ladeleistung Schluss, was gerade Menschen, die auf die vergleichsweise weit verbreiteten, öffentlichen AC-Lader angewiesen sind, stören könnte. Das AC-Laden mit bis zu 22 kW bedeutet dort schlicht mehr Tempo. Schon eine halbe Stunde, beispielsweise während des Einkaufens, schaufelt mit der höheren Ladeleistung locker 60 km Reichweite in den Speicher.

Das 11-kW-Ladegerät für Wechselstrom ist in den Motorversionen mit 110 und 90 kW bidirektional ausgelegt. Das heißt, dass der R5 sowohl externe elektrische Geräte (V2L für Vehicle-To-Load) mit bis zu 3,7 kW Leistung versorgen als auch Strom ins Netz (V2G für Vehicle-To-Grid) einspeisen kann. Das Einstiegsmodell mit 70 kW kann ausschließlich unidirektional laden. Renault geht mit dem bidirektionalen AC-Laden einen Sonderweg (die anderen setzen auf DC), der allerdings für alle Elektroautos des Konzerns kommen soll. Voraussetzung für die sinnvolle Netzintegration im deutschen Markt ist vorerst die Bindung an den Partner The Mobility House mit der Mobilize PowerBox Verso.

Mit Gleichstrom an den Schnellladesäulen lädt die größere Traktionsbatterie mit 100 kW und die kleinere in Verbindung mit dem 90-kW-Motor mit 80 kW. Das ist in dieser Klasse durchschnittlich. Obwohl Renault seinerzeit viel Kritik für die Entscheidung einstecken musste, das Basismodell des Megane E-Tech ohne DC-Ladeoption auf den Markt zu bringen, geht die Marke hier den gleichen Weg. In Verbindung mit dem 70-kW-Motor kann die Batterie im R5 nicht mit Gleichstrom geladen werden – was technisch einigermaßen sinnlos ist, denn bei dieser Art des Ladens wird ja das interne Ladegerät umgangen. Im Megane korrigierte Renault diese Entscheidung rasch.

Über den Standard in diesem Segment hinaus geht der R5 mit zwei anderen Features. Die Traktionsbatterie wird für den Ladestopp im Routenplaner gezielt vorkonditioniert, also je nach äußeren Bedingungen geheizt oder gekühlt. Das stellt sicher, dass, abhängig vom Ladestand, gleich von Beginn an schnell geladen werden kann. Sogar Plug & Charge ist serienmäßig. An Ladesäulen, die das softwareseitig unterstützen, muss lediglich das Kabel eingesteckt werden. Der Rest läuft automatisch. Abseits davon können alle Funktionen des Ladens über eine App verwaltet und gesteuert werden.

Renault R5 E-Tech Electric außen (6 Bilder)

Die Serienversion des Renault 5 E-Tech Electric sieht fast genauso aus wie das Concept Car von 2021. Der Auslieferung beginnt im Herbst. Basispreis: Ab rund 25.000 Euro. (Bild: Renault )

Renault hat es auch beim Fahrwerk gut gemeint mit dem elektrischen Kleinwagen. Für die Agilität außerhalb der Stadt hat der R5 eine Mehrlenkerhinterachse. Dem Frontantrieb zum Trotz wird hier also Kurvenspaß vorhanden sein. Der Wendekreis beträgt nur 10,3 m.

Bei den Assistenzsystemen gibt es deutlich mehr, als der Gesetzgeber momentan vorschreibt. So sind ein Rückfahr-Notbremsassistent, ein Notfall-Spurhalteassistent und ein Ausstiegsassistent bestellbar. Über eine Taste links vom Lenkrad lassen sich die bevorzugten Einstellungen für fünf Systeme gleichzeitig aktivieren oder deaktivieren. Solche Wahlmöglichkeiten wird die Autoindustrie demnächst häufig anbieten – die Fahrer können so zum Beispiel die nervtötenden Warnungen der oftmals nur mäßig treffsicheren Verkehrszeichenerkennung verstummen lassen.

Der optionale, intelligente adaptive Tempomat erkennt kommende Kreisverkehre und Kurven. Der Active Driver Assist arbeitet teilautomatisiert nach Level 2 inklusive Spurmittenführung, Stop & Go-Funktion sowie der Möglichkeit, unter 50 km/h auf der Autobahn eine Gasse zu bilden, ohne dass das System aussteigt. Das hat es bei der Zoe nicht im Ansatz gegeben, und die Konkurrenten können das ebenfalls nicht.

Im B-Segment ist die Auswahl ohnehin arg begrenzt. Der Citroën ë-C3 ist aktuell ab 23.300 Euro zu haben. Für den Citroën wird es etliche der Funktionen des Renault 5 selbst gegen Aufpreis nicht geben. Zwar brauchen viele Nutzer weder einen Routenplaner noch einen adaptiven Geschwindigkeitsregler. Trotzdem zeigt sich hier eine klare Abgrenzung – beim Renault können die Käufer viel bestellen, wenn sie bereit sind, es zu bezahlen. Eigentlich gehören der Peugeot e-208 und der Opel Corsa Electric (Test) zu den direkten Gegnern. Angesichts der aktuellen Preispolitik für Elektroautos im Stellantis-Konzern sowie dem im Vergleich veralteten Antriebsstrang könnte der Renault die Wahl der Profis und automobilen Gourmets werden. Spannend wird auch, wie nahe er dem elektrischen Mini von BMW finanziell kommt.

Der R5 wird im französischen Douai gefertigt. Dort entsteht eine eigene Fertigung für die Traktionsbatterie in Kooperation mit AESC-Envision, die ab Sommer 2025 lieferfähig sein soll. Vorerst produziert das Werk in Ruitz die elektrischen Speicher. Renault strebt bis 2025 an, in der unmittelbaren Montage klimaneutral zu sein, was in Frankreich bedeutet, dass die elektrische Energie in Kernkraftwerken erzeugt wird.

Der Renault 5 E-Tech Electric setzt den neuen Maßstab im elektrischen Kleinwagensegment. Das französische Ingenieursteam hat den R5 mit der Liebe entwickelt, die zum Beispiel Toyota bei den Elektroautos völlig fehlt. Zwar sind einige Spezialitäten wie die umfangreichen Assistenzsysteme nur gegen Aufpreis zu haben. Das wird beim für 2026 erwarteten VW ID.2 aber nicht anders sein. In Wolfsburg wird man sich den R5 sicher genau ansehen.

(mfz)